Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften

26.01.2007

Landtag von Sachsen-Anhalt – Fünfte Wahlperiode – Plenarprotokoll 15
Sitzung am 26.01.2007


Rede von Herr Harms (CDU):
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich bin beeindruckt von der Sachlichkeit, mit der meine Vorredner dieses Thema
behandelt haben. Herr Wolpert, Frau Schindler, Herr Grünert, herzlichen Dank!
Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich deshalb ganz kurz darauf eingehen.
Ich habe die erwähnten Gutachten nicht nur gelesen, sondern ich habe mich aus-
führlicher damit befasst.

Frau Kollegin Schindler, das Gutachten, das Sie bezüglich der Ermittlung haushalts-
relevanter Kennzahlen genannt haben, ist mir bekannt. Ich habe es extra mit nach
vorn gebracht. Der Satz auf der Seite 173, den Sie zitiert haben, ist auch mir nicht
entgangen.

Da ich aber nicht leichtgläubig die Sätze aufnehme, sondern auch zur nächsten
Seite umblättere, ist mir auf der Seite 174 die Tabelle ins Auge gesprungen. Diese
möchte ich den Anwesenden auch zur Lektüre empfehlen; denn dort werden diese
Ausgaben gegenübergestellt.

Auf der Seite 174 geht es in der dritten Zeile um die Finanzverwaltung. Dort kann
man eigenartigerweise feststellen, dass Thüringen den geringsten Wert hat – ich
möchte die Zahl jetzt nicht erwähnen, obwohl sie interessant ist -, obgleich dort die
Gemeindestruktur ähnlich kleinteilig wie in Sachsen-Anhalt ist.

Nachprüfen kann man das in dem SPD-Papier, das Ihnen bekannt ist. Dort stehen
die Zahlen dazu, wie viele Gemeinden und wie viele Einwohner im Land vorhanden sind.

Des Weiteren kann man feststellen, dass der größte Wert gerade in Brandenburg zu
finden ist, und zwar deutlich größer, obwohl Brandenburg nicht gerade eine kleinteilige
Struktur, sondern eine deutlich größer gegliederte Struktur - noch keine unvernünftig
große, aber eine deutlich größer gegliederte Struktur - aufweist.

In Sachsen wiederum liegen die Werte ziemlich genau im Durchschnitt; in Mecklenburg
ebenfalls, obwohl Mecklenburg im Vergleich zu Sachsen die umgekehrte Struktur auf-
weist.

Nun frage ich mich: Hat der Gutachter diesen Satz geschrieben, bevor er auf der
Seite 174 die Zahlen zusammengestellt hat? Diesen Satz, der ja schon auf der
Seite 173 steht, hätte er nach der Zusammenstellung der Zahlen auf Seite 174
wohl nicht mehr so geschrieben.

Solche Dinge möchte ich in einem Gutachten vermieden haben. Wir brauchen Gründ-
lichkeit. Deshalb vielen herzlichen Dank für die sachliche Einführung in dieses Thema.

Für mich stellt sich die Frage: Darf man die Effizienz der Verwaltung hinterfragen?
(Zuruf von der CDU: Na klar!)
Das war nicht immer üblich; denn es handelt sich hierbei um hoheitliches Handeln.
Wenn ich an meine Zeit in anderen Herrschaftssystemen zurückdenke, stelle ich fest,
dass ich damit durchaus unterschiedliche Erfahrungen gemacht habe. Wir stellen fest:
Man darf, zumindest heute. Es war auch in anderen Epochen Deutschlands durchaus
möglich und es gab diesbezüglich auch Bemühungen.

Wir dürfen aber noch mehr. Wir dürfen mit Sicherheit die  Leistungen derjenigen
anerkennen, die uns seit Jahren verwalten. Die Verwaltung wird heutzutage als Dienst-
leistung organisiert, seit 16 Jahren aber auch als Ab- und Umbauprozess. Obwohl die
Mitarbeiterzahl kontinuierlich sinkt, werden wir präzise, schnell, rechtssicher und mit
steigender Qualität verwaltet. Unsere Bürger haben Einspruchsmöglichkeiten und nutzen
diese auch. Das ist die Realität.

Der auf der kommunalen Ebene realisierte Personalabbau kann sich durchaus mit dem
in der Landesverwaltung messen.

Es geht bei diesen Effizienzbetrachtungen um mehrere Tausend Arbeitsplätze in der
Kernverwaltung. Es geht nicht um Kindergärtnerinnen, Straßenarbeiter und Polizisten,
deren Stellen heute schon so knapp bemessen sind, dass mancherorts die Qualität
gefährdet scheint.

Es geht auch um die Leistungsträger der Kernverwaltung, die sich direkt vor Ort der
Probleme annehmen. Es geht auch um die Struktur der Entscheidungsprozesse und
um die Struktur der entsprechenden Arbeitgeber. Dabei geht es um die Frage, wie
viel Personal durch eine kommunale Gebietsreform eingespart werden kann, sollte
oder muss.

Warum sollte man die Wirtschaftlichkeit vergleichen? - Ganz einfach deshalb, weil
das Gespräch vor Ort schon in vollem Gang ist. Es wurde von den Beteiligten dieses
Hauses sinnvollerweise begonnen.

Bei all diesen Veranstaltungen wurde deutlich gemacht, dass es vor allem die Finanz-
lage des Landes ist, die die Bereitschaft aller zur Veränderung erforderlich macht. Die
Bereitschaft der Beteiligten, notwendige Veränderungen mit zu tragen, ist spürbar vor-
handen.

Daher fordern die Bürgerinnen und Bürger im Land mit Recht den Nachweis, dass der
eingeschlagene Weg richtig und maßvoll ist. Eingeschlagen wurde dieser Weg mit dem
Landtagsbeschluss in der Drs. 5/355 vom 17. November 2006 - Sie erinnern sich.
Diesen gilt es nun gemeinsam auszufüllen.

Kann man aber die Verwaltungsstrukturen wirtschaftlich vergleichen und bewerten?
- Die bekannte Studie des Landesrechnungshofes aus dem Jahr 2003 ist schon
erwähnt worden. Sie hat es geschafft, für Klarheit zu sorgen - nach etwa 30-jähriger
hitziger Debatte. Damit konnte diese Studie ihren Beitrag erfüllen; denn sie ermög-
lichte eine Reform, indem sie eine sachliche Grundlage schuf.

Die Studie hat im Übrigen anerkannt, dass viele Tätigkeiten im ländlichen Raum von
ehrenamtlichen Bürgermeistern und Sonstigen übernommen werden, die bei größeren
Strukturen vom hauptamtlichen Personal erledigt werden müssen. Wir sind gespannt,
wie sich die Lage in Sachsen-Anhalt darstellt.

Nun stellt sich die Frage: Muss man, wenn man kann, darf und sollte, die Wirtschaft-
lichkeit der vorhandenen Verwaltungsstrukturen untersuchen, wenn man zwangsweise
und flächendeckend gesetzlich eingreifen möchte?

Unabhängig davon, wie diese Veränderung politisch ausgestaltet wird, muss jede
Kommunalreform, um Bestand zu haben, in erster Linie verfassungsgemäß sein.
Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
a) muss die Reform dem Gemeinwohl entsprechen,
b) muss sie die Verwaltungs- und Kosteneffizienz beachten und abgewogen worden sein   
    und
c) muss sie - das ist ebenfalls wichtig - akzeptiert werden; dadurch werden die Rechts-
    sicherheit, die Klagebereitschaft und der Erfolg der Reform wesentlich mitbestimmt.
Die besondere Situation in Sachsen-Anhalt stellt sich so dar, dass seit dem 1. Januar 2005
neue, größere Einheiten der gemeindlichen Verwaltung existieren. Ein Neuzuschnitt 
auch dieser Einheiten aus raumordnerischen Gründen wäre ein wesentlicher Eingriff in die
kommunale Selbstverwaltung.

Nun darf manches, was man soll, kann oder und auch müsste, hinterfragt werden. Wir haben
das gestern erlebt. Einige von uns haben Probleme damit, das Rauchen einzustellen. Dies
war gestern ein umfängliches Thema.

n der jetzt in Rede stehenden Frage brauchen wir nun wirklich dringend eine politische
Entscheidung, und zwar die IEntscheidung darüber, ob wir eine solche Bestandsaufnahme
im Lande wollen. Dazu sage ich ganz klar: Wir, die Abgeordneten der CDU-Fraktion, wollen
diese Bestandsaufnahme und begrüßen die gewachsene Einsicht anderer. Anfangs fühlten
wir uns mit dieser Forderung etwas allein gelassen.

Der Kommentar von Herrn Bock in der „Volksstimme“ hat diesen Erkenntnisprozess deutlich
mit vorangetrieben. Vielen Dank dafür!

Wenn man ein solches Gutachten möchte, Herr Wolpert, dann sollte es ein Gutachten
unabhängiger Dritter sein. In einer Zeit, in der durch eine Volksinitiative bereits einige
Tausend Unterschriften gesammelt worden sind, brauchen wir überzeugende Argumente,
die die Menschen mitnehmen.

Der Landesrechnungshof könnte meiner Ansicht nach diese sinnvolle Aufgabe wahrnehmen,
wie er es in Sachsen und Schleswig-Holstein auch mit großem Erfolg tut.

Mein persönlicher Eindruck nach der Lektüre mehrerer Gutachten in den vergangenen
Monaten ist der, dass die Qualität und die Aussagekraft der beratenden Äußerungen der
Landesrechnungshöfe deutlich größer ist als die der Gutachten verschiedener Wirtschafts-
forschungsinstitute.

Einige Fragen werden wir beantworten müssen, da eine solche Bestandsaufnahme, wie wir
sie wünschen, dies nicht leisten kann. Wie effektiv ist das Modell der CDUFraktion für die
erwähnten Ausnahmen, nämlich Einheitsgemeinden mit einer Ortsgemeindeverfassung
und gewissen Mindestgrößen?

Vizepräsident Herr Dr. Fikentscher:
Herr Harms, ich muss Ihnen sagen, dass wir sehr großzügig sind, aber Ihre Redezeit ist
bereits um das Doppelte überzogen.
Herr Harms (CDU):
Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung. Gestatten Sie mir einen abschließenden Satz?
Unser gemeinsamer Antrag ist bemüht, die Anträge der anderen Fraktionen aufzunehmen
und in einem wesentlichen Punkt zu erweitern. In diesem Zusammenhang verweise ich auf
die Beschlusslage vom 17. November 2006 und auf unser gemeinsam formuliertes Ziel,
jenen Beschluss umzusetzen. Danke.

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