Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes mit dem Ziel der Einführung des kommunalen Wahlrechts für alle hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer

27.06.2008

Landtag von Sachsen-Anhalt – Fünfte Wahlperiode – Plenarprotokoll 42
Sitzung am 27.06.2008


Rede von Herr Harms (CDU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Bei der Vorbereitung auf dieses Thema kam ich sehr schnell dazu, diese Diskussion
eben nicht auf eine Entscheidung zwischen A- und B-Ländern zu reduzieren, sondern
möglichst einmal etwas genauer nachzugucken.

Wie Sie vielleicht aus meiner Biografie wissen, ist mein staatsbürgerschaftliches Ver-
ständnis zu einer Zeit geprägt worden, als wir Staatsbürgerkundeunterricht hatten.
In diesem  Staatsbürgerkundeunterricht haben sich meine Lehrer sehr große
Mühe gegeben, mir zu erklären, warum ein Staat Staatsangehörige braucht und wie
kompliziert es im Leben ist, wenn verschiedene Staaten die gleichen Menschen als
ihre Staatsangehörigen bezeichnen.

Ich will nicht zu ausführlich auf diese Problematik eingehen, weil wir gewiss ähnliche
Erfahrungen gemacht haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber einmal
darauf verweisen, damit Sie sich vielleicht vorstellen können, dass, wenn ich das
Thema Ausländer und kommunales Wahlrecht zu DDR-Zeiten im Staatsbürger-
kundeunterricht thematisiert hätte, liebe LINKE, es möglicherweise heute in meinen
Stasi-Akten nachzulesen wäre. Gewiss hätte es damals einer Diskussion bedurft,
da auch damals schon Ausländer an der örtlichen Gemeinschaft durchaus teilhatten.

Das waren nicht nur Journalisten oder Pfarrer aus der Bundesrepublik Deutschland,
sondern das waren auch Sowjetangehörige, nicht nur Wehrpflichtige, sondern auch
Offiziere, die hier etliche Jahre länger lebten, als Sie aufgezählt haben, Frau Rente,
und die teilweise unter sehr schwierigen Verhältnisse auch an der örtlichen Gemein-
schaft teilhatten. Damals war das so nicht möglich, weil es schlichtweg nicht zum
Verständnis der Staatsangehörigkeit passte. Deshalb habe ich mich ein bisschen
gewundert, dass dieser Antrag von Ihnen kam.

Dass die SPD eine gewisse Freude bei dieser Utopie empfindet, kann ich nachvoll-
ziehen. Das hat gewiss mit dem Staatsverständnis zu tun, dass ein starker, für-
sorgender Staat gute Taten verteilt.

Wir in der CDU pflegen eigentlich ein anderes Staatsverständnis. Wir wollen eine 
Bürgergesellschaft. In dieser Bürgergesellschaft sind starke Bürger notwendig, die im
Zweifelsfall - zu dieser Erkenntnis hat uns die deutsche Geschichte geführt - den Staat
korrigieren, die Widerstand leisten. Deshalb sind gewisse staatsbürgerschaftliche Rechte
und Pflichten im Grundgesetz verankert worden, die eine Rolle spielen. Wir haben dort
viele Rechte für jedermann. Wir haben einzelne Rechte, die auf Deutsche beschränkt
sind. Das setzt sich überall in unserem Rechtssystem fort. Wir haben in der Gemeinde-
ordnung die deutliche Unterscheidung zwischen Einwohnern und Bürgern.

Wenn ich Ihrem heutigen Verständnis, liebe LINKE, folgen würde, dann müsste ich den
Staatsbürgerkundeunterricht nachträglich in Einwohnerkunde umdefinieren. Wir haben
aber auch gewisse Pflichten, die nur auf Bürger, auf Wahlberechtigte zutreffen. Zum
Beispiel sind wahlberechtigte Bürger nach dem Brandschutzgesetz verpflichtet, sich
von einer Pflicht-feuerwehr mobilisieren zu lassen. Wir haben im Beamtengesetz die
Einschränkung, dass gewisse hoheitliche Aufgaben nur von Deutschen wahrgenommen
werden können.

Wir haben ein großes Problem, Herr Hövelmann. Wenn Sie davon sprechen, dass die
Wahlberechtigung, die Wählbarkeit die wichtigste Form der Teilhabe auf der kommuna-
len Ebene ist, dann haben wir gerade mit der beschlossenen Gemeindegebietsreform
etwa ein Drittel der Bürger aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ausgeschlossen,
zumindest dann, wenn sie aufgrund des Hartz-IV-Bezugs und der entsprechenden Ent-
fernung künftig nicht mehr an der Sitzung des Einheitsgemeinderats, weder aktiv noch
passiv auf der Zuschauerbank, teilnehmen können.

Wir sollten über die ganze Sache gründlich beraten. Deshalb bitte ich um eine Über-
weisung an den Innenausschuss. - Danke.

Präsident Herr Steinecke:
Herr Harms, es gibt eine Nachfrage von Herrn Dr. Thiel. Wollen Sie die beantworten?
Herr Harms (CDU): Sehr gern.
Präsident Herr Steinecke: Bitte schön.
Herr Dr. Thiel (DIE LINKE):
Es tut mir leid, Herr Harms, ich war bei Ihren Ausführungen nicht ganz frisch. Nur noch
einmal nachgefragt: Sie haben uns erklärt, in der DDR war es nicht möglich, ausländi-
sche Mitbürger zu integrieren. Dann hoben Sie darauf ab, dass in der Bundesrepublik
Deutschland ein anderes Rechtssystem herrscht. Kann ich Ihre Aussagen so verstehen,
dass Sie mit Ihren Ansichten zum DDR System zurück wollen?
Herr Harms (CDU):
Ich komme aus diesem System. Ich brauche deshalb nicht zurück. Es ist ein Teil meiner
Geschichte. Ich wollte auf das Problem hinweisen. Ich habe das nicht ganz so umfänglich
ausgeführt, weil die Redezeit leider etwas knapp ist. Nehmen wir einmal das Problem
ungarischer Mitbürger, die ganz andere Rechte in der Persönlichkeitsentfaltung hatten,
zum Beispiel das Reiserecht, was sonst sehr eingeschränkt war. Wenn ein ungarischer
Staatsbürger zu DDR-Zeiten für das Amt des Bürgermeisters einer Gemeinde kandidiert
hätte, dann wären das ganz unterschiedliche Welten gewesen, die bei der Entscheidungs-
findung aufeinandergetroffen wären. Mit ist bewusst, dass das unterschiedliche Rechts-
systeme waren. Aber mit diesem Bruch leben wir alle.

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