Sachsen-Anhalt sicher machen. Ohne Waffen!

05.05.2017

Landtag von Sachsen-Anhalt - Plenarprotokoll 7/27

Nachfragen von Uwe Harms (CDU) zum Thema:
Herr Striegel, Sie haben verständlicherweise Ihre Forderungen gut beschrieben. Ich kann das
auch nachvollziehen. Sie haben aber ganz wenig zu den Ursachen dieser Entwicklung gesagt,
warum sich Teile der Bevölkerung mit der Absicht tragen, sich zu bewaffnen. Das fängt schon
beim Pfefferspray an, das man bei verschiedenen Tätigkeiten dabei hat, ob man nun gern
joggen möchte oder dergleichen mehr.
Das hat gewiss auch etwas damit zu tun, dass wir gemeinsam feststellen mussten, dass
unsere Polizei nicht in der Lage ist, sofort an jedem Gefährdungspunkt in der Fläche vor Ort
zu sein, und wir als Bürger uns möglicherweise bis zu 20 Minuten auch in ernsten Bedrohungs-
situationen quasi selbst helfen müssen.
Ich wollte Sie fragen, ohne dass gleich die Emotionen hochgehen, wie dieses Thema aus Ihrer
Sicht auch mit dem Wolf zusammenhängt.
Man muss das einen Moment sacken lassen; denn mir wurde in meinem Wahlkreis von vielen
Bürgern gesagt, dass sie sich nur dann trauen, zum Joggen oder in den Wald zu gehen, wenn
sie Pfefferspray oder möglichst eine Schreckschusswaffe dabei haben. Da Sie nichts zu den
Ursachen gesagt haben, würde ich Sie bitten, sich zu den Ursachen dieser Entwicklung zu
äußern.

Präsidentin Gabriele Brakebusch: Herr Striegel, bitte.
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Ich gebe zu, dass mir die Verbindung vom Wolf zu den Schreckschusswaffen bisher noch nicht
aufgegangen ist, aber man lernt auch in diesem Hause jeden Tag neu dazu. Ich glaube auch
nicht, dass dann, wenn in einem solchen Fall der Wolf um die Ecke käme, die Polizei helfen
würde, ganz egal wie schnell sie vor Ort wäre. Insofern haben wir es mit zwei unterschied-
lichen Dingen zu tun.
Zunächst zur rechtlichen Lage. Gegen den Wolf dürften Sie Ihr Pfefferspray zumindest ein-
setzen. Das ist legal möglich. Gegen Personen dürften Sie es im Regelfall, wenn Sie nicht
gerade angegriffen werden, überhaupt nicht einsetzen.
Das ist erst einmal zur rechtlichen Lage zu sagen.
Das Problem, das Sie ansprechen, wird von uns GRÜNEN durchaus gesehen. Frühere Landes-
regierungen haben die Polizei in diesem Lande personell so heruntergespart, dass erst mit
diesem Koalitionsvertrag, den wir gemeinsam hier geschlossen haben, eine Kehrtwende ein-
geleitet worden ist.
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Frau Feußner, Sie können sich die Zahlen anschauen. Insoweit, glaube ich, müssen wir uns
nicht streiten.
Das ist eine objektive Betrachtung. Wir als GRÜNE haben gemeinsam mit der CDU
und der SPD begonnen gegenzusteuern. Ich bin mir mit dem Innenminister darin einig, dass
wir zum Ende der Legislaturperiode mehr Beamtinnen und Beamte hier im Dienst haben wollen
als zum Beginn der Legislaturperiode.
Unser Ziel ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt sicher leben können. Dafür
braucht es eine personell und sachlich gut ausgestattete Polizei. Dafür sorgen wir Bündnisgrüne
gemeinsam mit Ihnen.
-
Herzlichen Dank.

Präsidentin Gabriele Brakebusch: Herr Striegel, Herr Harms hat eine Nachfrage.
Sebastian Striegel (GRÜNE): Bitte, gern.
Präsidentin Gabriele Brakebusch: Eine Nachfrage. Dann gibt es noch drei weitere Fragesteller.
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Bitte, Herr Harms.
Uwe Harms (CDU):
Herr Striegel, nun haben Sie wieder so gut wie nichts zu den Ursachen dieser Entwicklung ge-
sagt, dass das Sicherheitsbedürfnis der Menschen dazu führt, dass sie sagen: Oh, wie schütze
ich mich sozusagen in der akuten ersten Viertelstunde?
Denn wir alle wissen, wir können nicht eine solche Polizei organisieren, die überall innerhalb von
drei Minuten verfügbar ist.
Es geht um dieses Sicherheitsgefühl. Wie wollen wir mit den Menschen umgehen?
Ich selbst brauche keine Waffe; das sage ich Ihnen. Ich fühle mich in diesem Land sicher
genug. Ich sage das auch den Bürgern im Wahlkreis.
Aber ich stelle fest, dass das für die Bürger ein zunehmendes Thema ist.
Da Sie sich zu den Ursachen nicht geäußert haben, frage ich noch einmal nach:
Welche Ursachen sehen Sie denn für diese Entwicklung?
Dabei geht es ja nicht um die Stärke unserer Polizei. Das kann es ja wohl nicht gewesen sein.

Präsidentin Gabriele Brakebusch: Herr Striegel.
Sebastian Striegel (GRÜNE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Für die Bürgerinnen und Bürger ist das ein Thema, genau.
Und weil es ein Thema ist, sollten wir politisch Handelnden damit verantwortlich umgehen und
nicht Ängste schüren, die sachlich unbegründet sind.
Wenn wir einmal in die Polizeiliche Kriminalstatistik schauen - auch sie wird heute noch Thema
sein -, dann lernen wir, dass die Zahl der Straftaten in Sachsen-Anhalt eben nicht deutlich
steigt, ja, sogar leicht gesunken ist. Wir stellen fest, dass wir, wenn wir darauf schauen, es
eben nicht mit der Situation zu tun haben, in einem unsicheren Land zu leben, sondern dass
Ängste vielfach irrational sind und zum Teil von einigen geschürt werden.
Ich werbe dafür, dass wir das Schüren von Ängsten unterlassen, dass wir sachlich aufklären.
Ich bin mit den Polizistinnen und Polizisten im Land, mit den Vertretern der Polizeigewerk-
schaften darin einig, dass die zunehmende Selbstbewaffnung die Gefahr für die Bürgerinnen
und Bürger erhöht und nicht zur Sicherheit beiträgt. Ich weiß mich auch mit dem Innenminister
darin einig, dass wir zu einer ausreichenden Polizeiausstattung kommen müssen.
Das klärt in der Tat noch nicht, was in den ersten Minuten passiert. Aber dazu wissen wir aus
der Kriminologie und aus allen auch praktischen Erfahrungen: Selbstbewaffnung trägt nicht zur
Sicherheit in diesem Lande bei. Sicherheit ist staatliche Aufgabe. Es ist unser Job, die Rahmen-
bedingungen dafür zu schaffen, dass Menschen in diesem Land sicher leben können.

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Nach der Rede des Innenministers:
Präsidentin Gabriele Brakebusch: Herr Kollege Harms.
Uwe Harms (CDU):
Herr Minister, wir sind uns einig: In unserer Welt bedeuten weniger Waffen mehr Sicherheit.
Wenn sich, wie auf der Wolfskonferenz in Wolmirstedt vor einigen Tagen, sage ich mal, die
Entwicklung von der Wolfspopulation so fortsetzt und wir davon ausgehen können, dass sich
die Population innerhalb der nächsten drei Jahre verdoppelt:
Welchen Einfluss hätte denn das auf das angesprochene Sicherheitsgefühl der ländlichen Be-
völkerung und den Wunsch nach Ausrüstung und Bewaffnung zur Erhöhung der eigenen
Sicherheit?

Präsidentin Gabriele Brakebusch: Herr Minister, bitte.
Holger Stahlknecht (Minister für Inneres und Sport):
Natürlich haben aufgrund der kontrovers geführten Diskussion Menschen auch Sorge vor
Wölfen - in Teilen jedenfalls - und sind auch mit Sicherheit mit einem gewissen Gefühl - Sie
haben das ja auch geschildert -, wenn sie im Wald mit kleinen Kindern unterwegs sind, in
Sorge, dass ihnen etwas passieren könnte.
Da ist die Frage, die wir bereden müssen, ob wir die Wolfspopulation durch eine Erlaubnis
der Bejagung begrenzen wollen oder ob wir sagen, man kann die Population so lassen
und Menschen passiert nichts. Das ist nicht eine Diskussion, die wir hier entscheiden müssen.
Ich sage aber auf der anderen Seite - jetzt spreche ich mal als Jäger -: Wenn Sie mit Pfeffer-
spray unterwegs sind, vertreiben Sie weder einen Wolf noch ein Wildschwein.
Und wenn sich jemand, der in Sorge ist, vielleicht sogar dazu entscheiden sollte, eine richtige
Waffe zu erwerben und diese zu tragen, ohne geübt zu sein, hätte ich weniger die Sorge darum,
dass der Wolf dem gefährlich wird, sondern eher die Sorge, dass der sich vor Aufregung selbst
in den Fuß schießt.
Auch dann wäre der Wolf weg - in der Tat -, aber die Verletzung wäre gleichwohl da. Insofern
bedarf es für alles immer einer gewissen Besonnenheit, Herr Harms.

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